In meinen Seminaren für Storytelling sagen Teilnehmende manchmal zu Beginn: Ich will spannende Geschichten erzählen, sag mir, was ich machen soll, das mache ich dann und fertig ist meine Story. Dann denke ich irritiert: Hä? Wieso fragst Du? Du weißt doch, wie es geht! Vorhin hast Du doch eine Geschichte erzählt?
Wie beginnt ein Boxkampf? Die Box-Hymne dröhnt durch die Halle. Gleichzeitig gehts Licht aus, ein Spot an. Er ist auf den Boxer, die Boxerin gerichtet, die zum Boxring einläuft. Bodyguards bahnen den Weg durch die Menge. Die bisher erworbenen Box-Gürtel werden stolz in die Höhe gereckt. Und unser Boxer, unsere Boxerin tänzelt mit hochkonzentrierter Miene hinter ihnen her. Die Stimmung im Publikum beginnt zu kochen. Was für ein Auftritt!
Ein Vortrag kann eine nervenaufreibende Erfahrung werden. Unsicherheit, Lampenfieber und Selbstzweifel sind Gefühle, die viele von uns kennen. Doch manchmal gehen diese Gefühle über die normale Aufregung hinaus und fahren Achterbahn mit uns. Sie manifestieren sich als störende Glaubenssätze, die unsere Präsentationsfähigkeiten beeinflussen und vor allem: beeinträchtigen.
Mit einem starke Einstieg in unseren Vortrag ködern wir unser Publikum. Wir locken es an, damit es uns seine gesamte Aufmerksamkeit schenkt und noch mehr hören will. Aber was ist mit dem Ausstieg? Dem Ende der Präsentation? Darf es jetzt lauwarm werden, weil ja eh gleich Schluss ist?
Shakespeare hat es schon gewusst. C.G. Jung auch, und erfolgreiche Drehbuchautoren Hollywoods haben es sich eh hinter die Ohren geschrieben: Es gibt archetypische Erzählstrukturen, auf die wir Menschen seit Jahrhunderten stark reagieren. Und völlig egal, in welcher Kultur oder in welchem Zeitalter wir leben, welche Religion oder Bildung wir haben – diesen Plots können wir uns nicht entziehen.
Wir alle kennen sie: die vorher-nachher Fotos! Runtergewohnte besch- bzw. nudefarbene Badezimmer aus den 80zigern, die nach dem Umbau als Wellnessoasen mit freistehender Badewanne erstrahlen. Die dünnen Fisselhaare wurden gestutzt, gefärbt und jetzt sieht das Modell samt Frisur Bombe aus. Eine Person mit adipöser Figur vor und nach den heftigen Workouts im Studio. Vorher wurde die Wäsche völlig verdreckt in die Waschmaschine geworfen, jetzt flattert sie strahlend weiß auf der Leine. Was auf Social Media und beim Marketing so großartig funktioniert, wertet auch Ihre Vorträge auf...
Zahlen, Daten, Fakten – viele Vorträge und Präsentationen bestehen aus nichts anderem. Ja klar, es wirkt glaubwürdig, auch seriös, es füttert das Gehirn, aber die Emotionen unserer Zuhörenden bleiben auf der Strecke. Dabei entscheiden wir Menschen zu fast 100 Prozent aus emotionalen Gründen und lassen unsere Vernunft links liegen...
Dachten Sie schon mal über einen lampenfiebergeplagten Redner: Ohhh, der ist ja meganervös, das geht gar nicht!? Vermutlich nicht. Denn erst wenn seine Aufregung ihn arbeitsunfähig werden lässt, beginnt auch sein Publikum zu leiden.
Rhetorische Mittel sind aus der Zeit gefallen? Oh nein, ganz im Gegenteil!!! Mit ihnen wirkt Ihr Auftritt lebendiger, moderner, emotionaler und Ihre Performance erhält eine persönliche Note. Ihre Inhalte erfahren nicht nur eine größere Aufmerksamkeit, sondern bleiben besser im Gedächtnis Ihrer Zuhörer und Zuhörerinnen hängen....
Bruce Darnell erwarb sich mit seinen emotionalen Auftritten Kultstatus. Erinnern Sie sich an: Die Tasche muss lebendig sein!,Drama, Baby, Drama! oder Das war super, super, super langweilisch!? Kaum zu glauben, aber wahr - hinter seinen legendären Sprüchen stecken rhetorische Stilmittel der Antike. Wer hätte das gedacht?
Sie wollen eine mitreißende Unternehmensgeschichte erzählen, die den Umsatz Ihres Unternehmens steigert? Wissen Sie schon, wer der Held, die Heldin Ihrer Story sein wird? Wen wollen Sie besetzten (m&w): den Gründer Ihres Unternehmens, eine Werbefigur, die stellvertretend für Ihre Firma steht, einen Ihrer Mitarbeiter oder - Ihre Kunden? Und wer oder was wird der gerissene Bösewicht?
Am Freitag, 19. Juni 2020, 22:30 Uhr klingelt bei der Tübinger Polizei der Notruf. Am Telefon: Eine junge Frau (31). Sie ist in der Tübinger Bücherei eingeschlossen. Sie war so in ein Buch vertieft, dass sie nicht mitbekam, dass die Bücherei schließt. Die Polizei ermittelt den Nachtwächter, nach einer Stunde ist sie frei. Ich habe gegoogelt, wann die Tübinger Bibliothek schliesst - damals, coronabedingt - um 17 Uhr.
Reden wir vor einem Publikum, stehen wir selbst als Person im Zentrum der Aufmerksamkeit. Zeit für unsere Zuschauer, uns zu mustern und über uns und unseren Vortragsstil nachzudenken. Für eine Führungskraft eine super Gelegenheit, sich über eine charismatische Performance Popularität zu verschaffen. Elon Musk hat diese Möglichkeit bereits am Schopfe gefasst und legt Inszenierungen hin, die an Steve Jobs erinnern.
Schäfchen zählen soll ja beim Einschlafen helfen: ein monotoner Sprechrhythmus, stets dasselbe Bild vor Augen und eintönige Zahlenreihen, mit denen man nichts verbindet. War das bei der letzte Präsentation, die Sie gehört haben, nicht auch so? Abstrakte Datenkolonnen, ein Diagramm jagte das nächste. Alle Statistiken der letzten sieben Jahre. Dazu ein Redner, der felsenfest davon überzeugt war: Je mehr mein Kunde weiß, desto eher beißt er an...