von Birgit Schürmann

Wie uns Selbstgespräche entspannen

Führen Sie Selbstgespräche? Murmeln Sie manchmal etwas vor sich her? Oder lassen Sie es lieber bleiben, damit Sie nicht verdächtigt werden, einen Dachschaden zu haben?!

Ich rede manchmal laut mit mir selbst, vor allem morgens, wenn ich aus dem Haus will: Oh nee, wo ist denn jetzt mein Handy?, Ach, dann habe ich ja noch Zeit.... Warum tue ich das? Mir hilft es, mich zu sortieren, zu strukturieren und zu fokussieren.

Aber auch in anderen Situationen mache ich mit lautstarken inneren Dialogen sehr gute Erfahrungen. So bereite ich auch meine Vorträge (in der finalen Phase) vor: Ich spaziere im Wald (oder fahre Auto, am besten auf Langstrecken) und spreche meine Inhalte und Gedanken laut aus.

Die Methode kann ich Ihnen ebenfalls für die Vorbereitung auf Gespräche, die Ihnen nicht leicht fallen (schwierige Gespräche), empfehlen. Superhilfreich, um Gedanken, Argumente und Gegenargumente zu ordnen und auch mal über die Lippen zu bringen. 

 

Sich mit einem Selbstgespräch Beine machen

Manche Sportler rüsten sich durch Selbstgespräche mental für den stressigen Wettkampf und verbessern damit ihre Leistung. Ein großartiges Beispiel gab im Jahr 2007 Tommy Haas beim Australian Open.

Während des Matchs gegen die russische Ballmaschine Nikolai Davydenko sah es für ihn gar nicht gut aus. Im Angesicht der drohenden Niederlage machte er sich mit einem Selbstgespräch selbst wieder Beine: Ich kann es nicht, so kann ich nicht gewinnen, ich habe keinen Bock mehr, wofür mache ich das eigentlich, nur damit ich mich aufrege. Ich bezahle Leute für nichts. Fighten, kämpfen, du gewinnst es jetzt.  

Das Match gegen Davydenko hat er in 5 Sätzen gewonnen.

In unseren Gedanken reden wir permanent mit uns. Wir führen innere Selbstgespräche. Lautlose Monologe. Die Worte, mit denen wir zu uns sprechen, haben eine große Kraft. Worte sind nicht einfach nur neutral. Sie lenken unsere Wahrnehmung - im positiven wie im negativen Sinne. Auch im inneren Dialog. Wie sagte schon der Talmud: Achte auf Deine Gedanken, denn sie werden Worte...

 

Das Selbstgespräch ist eines der wichtigsten Werkzeuge, mit dem wir unser Verhalten steuern. (D. Albarracin)

 

Höfliche Selbstgespräche reduzieren Stress

Zum Thema Selbstgespräche inspirierte mich ein interessante Studie von zwei Universitäten in Michigan, USA. Wissenschaftlern der Neuropsychologie veröffentlichten im Juli 2017 folgende Ergebnisse: 

Sie stellten zwei Experimente auf und baten im ersten Experiment ihre Probanden, sich erschreckende und normale Bilder anzusehen. Im zweiten Experiment hingegeben baten sie sie, an schmerzliche Erinnerungen aus ihrer Vergangenheit denken.

Danach sollten die Versuchspersonen entweder die Bilder oder ihre Erinnerung aus unterschiedlichen Perspektiven heraus reflektieren. Sie sollten sich sowohl aus der ersten Person (Wie geht es mir?)  wie auch aus der dritten Person heraus fragen, wie es ihnen selber geht. (Wie geht es Birgit?)

Während die Probanden beider Experimente mit sich selber sprachen, schauten ihnen die Forscher mit Hilfe von EEG und MRT ins Gehirn.

Das Ergebnis: Wurden die Selbstgespräche in der dritten Person geführt, wurden weniger neuronale Aktivitäten gemessen. Anders ausgedrückt: Erinnere ich mich an schmerzhafte Erlebnisse und frage mich danach distanziert: Wie geht es Birgit? kostet mich die Erinnerung signifikant weniger Energie und verursacht weniger Stress, als wenn ich mich direkt anspreche: Wie geht es mir?

Wieso macht so ein kleiner Unterschied soviel aus?

Frage ich mich: Wie geht es Birgit? denke ich über mich und meine Gefühle aus der Sicht einer dritten Person nach, von einer Meta-Ebene. Und erreiche so eine notwendige Distanz. Diese Distanz hilft mir, mich und mein Verhalten effektiver zu reflektieren.

Die Folge: ich tauche nicht in meine Emotionen ein und auch nicht in sie ab. Das spart emotionale Energie, die ich brauche, um stressige Emotionen zu regulieren. Dadurch halte ich meine Gefühle leichter in Schach, sehe zunehmend klarer und bin schneller in der Lage, Probleme zu lösen.

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