Warum Frauen und Männer zwei Sprachen sprechen und was es mit der Karriere zu tun hat

von Birgit Schürmann

Warum Frauen und Männer zwei Sprachen sprechen und was es mit der Karriere zu tun hat

Typisch Frau, typisch Mann? Sind es überholte Klischees? Oder sorgt das unterschiedliche Sprachverhalten der Geschlechter für mehr Chaos, als wir denken?

Kennen Sie Deborah Tannen? Deborah Tannen ist eine amerikanische Soziallinguistin und Bestsellerautorin ("Du kannst mich einfach nicht verstehen. Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden"). Sie untersuchte das unterschiedliche Sprachverhalten in der männlichen und weiblichen Kindheit. Einige Ihrer Erkenntnisse nehme ich genauer unter die Lupe und frage mich: Was hat unser Sprachverhalten mit dem Verlauf unserer Karriere zu tun?

 

Ich bin wie Du

Frauen lernen von klein an, zu unterstreichen: "Wir sind alle gleich!". Egal, ob sie zu zweit sind oder in einer Gruppe, sie sind immer alle gleich. Frauen verwenden Sprache, um den anderen Frauen zu zeigen: "So nah bin ich Euch!".

Wir freuen uns, wenn wir Gemeinsamkeiten finden. Darüber sprechen wir gern und bestärken uns: „Ich habe heute nacht so schlecht geschlafen“ „Echt? Ich auch!! Ich bin total gerädert!“ „Wem sagst Du das? Geht mir auch so! Ich kann mich heute sooo schlecht konzentrieren!“

Über Dinge, die wir nicht hinbekommen, tauschen wir uns besonders gern aus. Wir lieben es, über unsere Schwächen zu debattieren: „Ach, kannst Du auf Deinen hohen Schuhe auch nicht den ganzen Abend stehen???? Meine Füßeeee, ich sterbe!“ „Oh jaaaa, guck mal meine, total geschwollen!!!" “Nee, Du Arme!"

Warum tun wir das? Es tröstet und verbindet. Wir bestätigen uns gegenseitig: "Ich bin mit Dir auf einer Stufe und keinen Deut besser als Du!"

Leistungen verharmlosen - damit haben Frauen überhaupt keine Problem. Früher war ich Weltmeisterin im Leistung-runterspielen-und-abwerten. Lobte jemand meine Schuhe: "Deine Schuhe sind ja der HAMMER!", brachte ich grad so über die Lippen: "Ach, die habe ich runtergesetzt gekauft, sie waren echt günstig!" Mittlerweile antworte ich: "DANKE!  Hat mich auch Arbeit gekostet - ich hab vier Wochen auf der Lauer gelegen, um sie dann im Sale für die Hälfte zu schiessen".

Mit Leichtigkeit warf ich früher einen guten Status über den Haufen. Gemocht zu werden stand auf meiner Agenda ganz oben. Überlegenheit macht unbeliebt, die bessere Wahl unter Frauen ist: runterspielen. Was uns leicht fällt, denn die anderen können ja auch nicht mehr.

 

Kampf um Status

Männer hingegen werden von klein an mit Rangordnungen groß. Sie lieben den Wettkampf. Sie lieben es, zu beeindrucken. Zu imponieren und sich vorteilhaft zu positionieren. Sich herauszufordern. Treffen sie sich, fechten sie als erstes eine Hierarchie aus. Alle haben im Kopf: „Nur einer kann Sieger werden!“.

In meiner Sportbox läuft es so: Während die männlichen Mitstreiter ihre Runden und Gewichte unbedingt namentlich auf der Tafel notieren wollen, sich gegenseitig stolz ihre Zahlen zurufen, zählen viele der Frauen nicht einmal mit, weil egal.

Um ihre Rangordnung zu verhandeln, verwenden Männer Sprache. Alle Fähigkeiten und Kompetenzen werden in den Ring geworfen: "Ich kann weiter pinkeln, mein großer Bruder fährt einen Porsche, meine Silvesterböller kaufe ich im Ausland und die feuere ich dann wahllos rum."

Mit Fleiß fordern sie sich gegenseitig heraus. Chefiges Verhalten, mit Anweisungen herumzukommandieren wird mit einem guten Status belohnt. Sie haben einen Heidenspaß am Machtspiel, am Gerangel um Platz 1. Haben sie dann ihre Nummer 1 ausgehandelt, orientieren sich alle an ihm. Dann wissen sie:

  • zu wem muss ich unbedingt freundlich sein
  • wem muss ich unbedingt zuhören
  • in welchen Hintern muss ich unbedingt rein.

Sie wissen aber auch:

  • wer auf einem niedrigen Rang landet, wird nicht ernst genommen
  • er erfährt weniger Wertschätzung
  • ihm hört man nicht zu, obwohl er vielleicht inhaltlich topfit ist...

Mit anderen Worten: Der Rang - und nicht die Kompetenz - entscheidet, wer im Scheinwerferlicht steht und wem zugehört wird.

 

Abwertung versus Aufwertung

Ja, Ausnahmen bestätigen die Regel. Keine Frage. Leider schreibt unser Alltag immer noch die schlechtesten Drehbücher, damit meine ich: in meinem Alltag erlebe ich Klischees in der Mehrzahl. Die Sprache wird unterschiedlich als Machtinstrument genutzt. Was bedeutet das unterschiedliche Sprachverhalten für die Kommunikation zwischen Frauen und Männern? 

Es bedeutet: Frauen verwenden Sprache, um zu signalisieren, wie nah sie zueinander stehen - Männer nutzen ihre Sprache, um zu verhandeln, wer über wem steht.

Frauen bringen ihre Unzulänglichkeiten ins Spiel, werten sich und ihre Arbeit ab, um Gemeinsamkeiten zu beweisen - Männer neigen dazu, ihre Person und ihre Leistung aufzuwerten, um sich abzugrenzen.

 

Durch die gläserne Decke reden

Mittlerweile besetzen zwar deutlich mehr Frauen Führungspositionen im mittleren Management, aber die gläserne Decke zu den Spitzenpositionen ist immer noch da. Viele Frauen arbeiten nach wie vor auf einem Level unter ihren Kompetenzen, währenddessen sich Männer auf Positionen ein Level über ihren Kompetenzen tummeln. Ja, sicher spielt auch die Wahl, in Teilzeit zu arbeiten, eine große Rolle. 

Wir, Frauen wie Männer, hängen noch in unseren Rollenbildern fest und verhalten uns dementsprechend. Licht unter den Scheffel stellen? Ja, tun Frauen. Klar, es gibt auch Männer, die diese Fähigkeit besitzen. Ich bewerte es nicht negativ, denn wer sagt, dass das Brusttrommeln der Alpha-Männer das Ziel der Ziele ist?

 

Bei Machtspielen mithalten

Noch wollen die Frauen aufschliessen, sich in Männerdomänen behaupten, die gläserne Decke durchbrechen und im Top-Management ihren Platz finden. Männer, die dort hin wollen, sind schon längst da.

Da hilft es einerseits, dass immer mehr Frauen ihren eigenen Stärken vertrauen, sie zeigen und behaupten. Astrid Teckentrup ist Vorsitzende der Geschäftsführung von Procter und Gamble in der D-A-CH Region. Ihre Empfehlung an Frauen, die Karriere machen wollen: „Konzentriere Dich auf das, was Du tust, denn Du kannst es — und habe Spaß dabei. Verschwende keine Zeit damit, Dir Sorgen zu machen, ob Du es gut machst oder nicht.“

Anderseits: Bewundern wir nicht Menschen, die mehrsprachig aufwachsen und sich leichtfüßig auf dem globalen Parkett bewegen?

Wenn der Rang und NICHT die gute Leistung die Karriere entscheidet - ist es nicht von Vorteil, wenn Frauen sich souverän in der männlichen Kommunikation zurechtfinden? Wenn der Rang davon abhängt, wie Frauen versteckte und offene Angriffe kontern - was spricht dagegen dass Frauen die Sprache des anderen Geschlechts sprechen? Wenn Hierachiespiele und Ausgrenzung auf dem Weg zur Vorstandsetage lauern - was spricht dagegen, dass Frauen lernen, souverän Machtspiele bis zum Ende mitzuspielen?

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